Seminarkurs | Exkursion zum Konzert „Der Mensch muss eine Heimat haben“

Ein Bericht von Franziska Schwaigert (Kursstufe 1)

Der Seminarkurs „Gegen das Vergessen des Holocaust“ (Leitung: Frau Dietrich, Herr Färber) hat am 16. November 2021 das Theaterhaus in Stuttgart besucht. Auf dem Programm stand das Konzert „Der Mensch muss eine Heimat haben“, zur Autobiografie einer Holocaust-Überlebenden.

Im Seminarkurs beschäftigen wir uns mit der Erinnerung an den Völkermord von rund sechs Millionen Menschen, die unter dem Regime der Nationalsozialisten auf grausame Weise zu Tode kamen – mit der Absicht, so etwas nie wieder geschehen zu lassen. Passend dazu, handelte das besagte Konzert von den Erzählungen Judith Schneidermanns, die 1944 ins Konzentrationslager nach Ausschwitz deportiert wurde, von wo aus es nach einigen Wochen weiter nach Gelsenkirchen zur Zwangsarbeit ging.

Judith Schneidermann hatte damals das Glück, bei den Nationalsozialisten durch ihren Gesang Eindruck gemacht zu haben sowie erst gegen Kriegsende deportiert worden zu sein. Sie und vier ihrer sieben Geschwister überlebten, den Rest ihrer Familie sah sie jedoch nie wieder. Später wanderte sie mit ihrem Ehemann in die USA aus, wo sie schließlich eine kleine Familie gründete - sie bekam drei Söhne und eine Tochter. Und eben diese Tochter, Helene Schneidermann, begegnete uns nun an diesem Dienstagvormittag auf der Bühne wieder. Begleitet von einem Pianisten (Götz Payer), einem Bariton-Sänger (André Morsch) und einer Erzählerin (Franziska Walser) untermalte sie die Geschichte ihrer Mutter mit ihrem Gesang. Abwechselnd wurde aus deren Autobiografie vorgelesen und gesungen, begleitet von Klaviermusik.

Judith und Paul Schneidermann (ihr Ehemann) haben beide immer gerne gesungen, was ihre Tochter in diesem Konzert noch einmal aufleben ließ. Gesungen wurde Schubert, Jerry Bocks „If I were a rich man“ und viele traditionelle Lieder auf Jiddisch, was wir besonders schön und beeindruckend fanden. Keiner von uns hatte davor jemals etwas auf Jiddisch gehört. Abgesehen davon passten die Lieder auch gut zu den Ausschnitten aus „Ich sang um mein Leben“, Judith Schneidermanns Biografie, und die Atmosphäre hatte somit von Anfang an etwas Fesselndes. Gerade die Sänger, aber eigentlich jeder einzelne auf der Bühne strahlte Leidenschaft aus. Es war, als durchlebten sie Frau Schneidermanns Geschichte erneut, und gerade bei Helene Schneidermann sah man auch deutlich, wie viel Herzblut in dieses Projekt geflossen war.

Das steckte natürlich auch uns an – gerade, weil der klassische Gesang der beiden Sänger gewaltig war. Sie schafften es, den ganzen Saal auszufüllen, nur mit ihrer Stimme, ohne Hilfsmittel oder eine große Bühnenshow, die ja auch gar nicht zum Thema gepasst hätte. Aber auch die Erzählerin las die Geschichte hinter all dem so gefühlvoll und lebhaft, dass wir uns alle sehr andächtig wiederfanden. Außerdem glaube ich, dass ein solches Konzert eine sehr wirkungsvolle Art ist, an die Geschehnisse zu erinnern und so auch ein breites Publikum zu erreichen, von dem jeder ein wenig mehr fühlen kann als sonst, worum es eigentlich geht – auch, wenn er oder sie in einem ganz anderen Jahrhundert geboren wurde und sich dieser Teil unserer Geschichte zum Glück recht weit entfernt anfühlt.

Zum Schluss will ich noch anmerken, dass das Konzert und die Lieder überhaupt nicht, wie man vielleicht annehmen sollte, deprimierend waren. Im Gegenteil ist die Message Judith Schneidermanns eigentlich die, dass sie trotz all dem, was ihr widerfahren ist, nie den Glauben an die Menschheit und an das Gute im Menschen verloren hat. Eine Einstellung, die nicht nur bewundernswert ist, sondern die man auch, so schrecklich all das war, nie vergessen sollte.

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